Entscheidung durch Unterscheidung – eine Anleitung

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Entscheidung durch Unterscheidung – eine Anleitung

WIE KOMME ICH ZU EINER GUTEN ENTSCHEIDUNG? RATIONAL ODER AUS DEM BAUCH HERAUS? WIE DIE SOGENANNTE “UNTERSCHEIDUNG DER GEISTER” HELFEN KANN, ERFAHREN SIE HIER.

Leben bedeutet, sich entscheiden zu müssen. Manche Entscheidungen sind einfach und ergeben sich fast wie von selbst. Andere wiederum benötigen ein gehöriges Maß an Abwägung und ein genaues Hinschauen. Es gibt auch Situationen, in welchen die Entscheidung, egal wie sie ausfällt, ein Risiko beinhaltet und alle Alternativen gleichberechtigte Möglichkeiten darstellen. Was tun? Was hilft in solchen Situationen? Wie kann ich da die gute und richtige Entscheidung treffen?

In der christlichen Tradition gibt es eine hilfreiche und sehr alte Methode: die Unterscheidung der Geister. Sie kann von großer Hilfe sein, wenn es um eine Entscheidungssituation oder um die Frage einer Wahl geht. Unterschieden werden vor allem die Antriebe, ob etwas gut und damit echt ist, oder ob man in einer Situation irregeleitet wird durch Gefühle, Ängste oder äußere Einflüsse.

Gefragt wird auch, ob eine Entscheidung und Wahl vom Geist (auch von welchem Geist) geführt ist – oder eben nicht. Es geht also letztlich um die Frage der Motivation einer Entscheidung und die Wahl für oder gegen etwas. Was sind die treibenden Gründe und Kräfte? Sind diese ‚ungesund‘ oder ‚ungut‘, oder verhelfen und dienen sie dem gelingenden Leben? Oft stellt sich in meinem Leben die Frage, ob die Stimmung, das Gefühl und die Intuition die guten und richtigen Ratgeber sind, oder ob sie nicht auch zu Fehlentscheidungen führen können. Wie den eigenen ‚Spleen‘ vom Geist Gottes unterscheiden?

Für den Apostel Paulus ist die Unterscheidung der Geister eine Gabe des Heiligen Geistes. Diese Gaben des Geistes werden den Christinnen und Christen in der Taufe geschenkt. Paulus nennt auch die Früchte der Unterscheidung:

„Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude,
Friede,
Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue,
Sanftmut und Selbstbeherrschung“

(Gal 5,22)

Die Gefühle sowie der Verstand spielen eine wesentliche Rolle in Entscheidungssituationen. Beides ist notwendig. Schlägt die Waage zugunsten der einen Seite aus, so stimmt etwas nicht. Rationalität und Gefühl sind beide gleichwertig wichtige Faktoren einer gelebten Spiritualität. Nur aus dem Bauch heraus zu urteilen kann ebenso zu unguten Entscheidungen führen, wie das restlose und einzige Vertrauen in das Denken und den Verstand.

Mit Bezug auf Ignatius von Loyola und moderne psychologische Ratgeber (die Empfehlungen sind in vielen Schritten fast deckungsgleich) kann ein Weg der Unterscheidung der Geister in sieben Schritten erfolgen:

Schritt 1

Ich frage mich, ob überhaupt eine Entscheidung ansteht – und was soll entschieden werden? Was ist das Ziel? Je mehr Klarheit ich darüber habe, umso besser kann ich die Entscheidung treffen. Oftmals steht gar keine wirkliche Entscheidung an und der Weg ist klar.

Schritt 2

Wie sehen die Alternativen zu der Entscheidung aus? Zwischen was muss ich abwägen?

Schritt 3

Welche Fakten und Informationen gibt es? Welche sprechen für diese Entscheidung, welche für jene? Hier empfiehlt sich eine nüchterne Pro- und Kontra-Liste: auf der rechten Seite liste ich die Pros, und auf der linken Seite die Kontras auf.

Schritt 4

Welche Gefühle stellen sich in der Betrachtung dieser fertigen Liste ein? Wo geht meine Intuition hin? Emotionen spielen eine wichtige Rolle und ergänzen das rationale Hinschauen. In der geistlichen Tradition ist an dieser Stelle die Rede von dem „Verkosten“ der inneren Regungen und Gefühle. Es geht um ein Nachspüren: Was lösen die Alternativen innerlich bei mir aus? Beunruhigung? Sicherheit? Klarheit? Verunsicherung?

Schritt 5

Die Unterscheidung der Geister ist eine Gabe des heiligen Geistes. An dieser Stelle tut es gut, wenn ich Gott um Rat, ihn um die Freiheit und Geduld bitte, eine gute Entscheidung zu treffen. In den psychologischen Ratgebern steht an dieser Stelle die Empfehlung, den Rat einer Freundin oder eines Freundes, der Familie etc. einzuholen.

Schritt 6

Der nächste Schritt überprüft die Zukunft. In Anbetracht der Alternativen und Emotionen mit Blick auf die Zukunft: Was löst die Entscheidung A oder die Entscheidung B in mir aus? Wenn ich diesen Weg einschlage, welche Gefühle stellen sich ein: Angst, Mutlosigkeit, Freude, das Gefühl von „Ja, das ist es“? Es gibt oft nicht die perfekte Entscheidung. Der Ausgang ist vielfach offen. Mut ist gefragt.

Schritt 7

Ich setze die Entscheidung um. Diese ist nur so gut wie meine Bereitschaft, sie konsequent zu realisieren. Mut zur Entscheidung und zur Handlung sind entscheidend.

Der Beitrag ist zuerst auf der Homepage der Deutschen Kapuzinerprovinz erschienen. Dort können Sie sich auch das Magazin der Kapuziner cap! nach Hause bestellen oder als PDF herunterladen.

Zur Person:
Br. Thomas Dienberg. Der Kapuziner ist Professor für Theologie der Spiritualität an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster (PTH) und lehrt seit einigen Jahren an Hochschulen in New York, Rom und mehreren anderen Orten weltweit. Br. Thomas Dienberg ist Leiter von IUNCTUS, dem Kompetenzzentrum für Spiritualität in Münster.

 

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