ERFÜLLTE FREIHEIT
… ein Impuls von Br. Bernd Kober

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ERFÜLLTE FREIHEIT … ein Impuls von Br. Bernd Kober

Die freie Wahl des Franz von Assisi

Franz von Assisi war frei. Er war so frei, als junger Mann von Zuhause wegzulaufen. Die vier Wände des Lebens seiner Eltern waren ihm zu eng. Hier konnte er nicht entfalten, was in ihm groß werden wollte. Er litt an der Enge. Aber er wusste noch nicht, was in ihm wachsen wollte. Er ließ los, ohne etwas Neues ergreifen zu können. Er wusste, was er nicht wollte: Kaufmann werden wie sein Vater Pietro Bernadone. So suchte er in verschiedene Richtungen. Vielleicht sollte er den Ruhm eines Ritters anstreben? Das Unternehmen scheiterte. Zwei Mal. Krankheit und Depression plagten ihn angesichts des Scheiterns

Seltsam hört sich das an. Im Beruf seines Vaters, als Tuchhändler, hätte er in Wohlstand und Ansehen leben können. Für manchen eine Bedingung, frei zu sein: tun und sich leisten zu können, was man will. Diese Freiheit suchte Francesco nicht. Es war zu wenig – auch wenn diese Sicherheit von außen betrachtet viel zu versprechen scheint. Die Freiheit, die er suchte, war eine andere.

FREIHEIT – eine Illusion

Freiheit ist ein durchaus schillernder Begriff. Der Freiheitswunsch eines Menschen, der im Gefängnis seine gerechte Strafe absitzt, fühlt sich anders an, als die Freiheitssehnsucht einer Frau, die in einem System lebt, das ihr jede selbstständige Entfaltungsmöglichkeit nimmt. Die unbekümmerte Freiheit eines spielenden Kindes fühlt sich anders an als jene eines Obdachlosen, der sich aus den Rahmenbedingungen des Sozialstaats herausgelöst hat. Was eigentlich bedeutet dieses Zauberwort „frei“? Vieles kann den Menschen einengen – vom politischen System bis zu familiären oder sozialen Bedingungen, in denen er aufwächst, die er nicht selbst gewählt hat.

Immer aber steht der Mensch in Bezügen und Beziehungen. Ein völliges Losgelöstsein gibt es nicht. Stets muss der Mensch sich verhalten zu anderen, zu Eltern, Mitmenschen, Chefs, zum Staat, zu Gesetzen – und zu sich selbst. Man könnte fragen, ob es Freiheit überhaupt geben kann? So vieles ist vorgegeben und „gesetzt“.

Freiheit scheint in direkter Verbindung zu stehen zu zwei Wirklichkeiten, denen kein Mensch entkommt: Alle stehen wir in Beziehungen – vogelfrei ist keiner. Und jeder Mensch steht in der Situation, sich entscheiden zu müssen, welche Position er einnimmt angesichts dessen, was ihn umgibt. Die „Freiheit von“ ist das eine – die „Freiheit für“ das andere. Wozu will ich mich frei machen, mich entscheiden?

FREIHEIT – Suche wonach

Franz von Assisi schälte sich heraus aus den verschiedenen Ummantelungen, die ihn umgaben. Aus dem Elternhaus – unter Schmerz und Streit. Durch die anschließenden Fehlversuche kam er dem Kern der Sache auch nicht näher – unter Enttäuschung und Traurigkeit über sich selbst. Welchen Sinn konnte sein Leben finden, wenn es nicht Reichtum und Ehre waren? Alle Maskierungen abzulegen war unabdingbar, wenn er das Wesentliche entdecken wollte. Die Frage „Wer bin ich?“ stellte Franz von Assisi betend und ringend, wenn er einsam durch die Natur bei Assisi zog. Er war Anfang 20 damals.

Aus dem einsamen Suchen und Beten findet er schließlich heraus. Er wird neu in die Beziehung zur Welt, zum Menschen, zu sich selbst geführt. Zumindest deutet er es in seinem Testament auf diese Weise: ich wurde geführt. „Du, Herr, hast mir gegeben …“, formuliert er rückblickend. Das Ringen, Beten, Nachdenken, Nichtnachlassen und das Nicht-Zurück-Können führt ihn in die Begegnung mit einem Outcast. Eine prägende, eine befreiende Begegnung, die in Franz und in dem anderen Außenseiter tiefe Kräfte weckt. Franz hatte sich selbst ausgestoßen aus den gesellschaftlichen Konventionen. Der Aussätzige, der ihm begegnet, wurde aufgrund seiner Krankheit ausgestoßen – unfreiwillig. Dem Bedürftigen, seiner Würde Beraubten liebevoll zu begegnen, verwandelte sich für Franz in tiefes Erfülltsein. Er erfuhr tiefen Sinn. Und für diese -Erfahrung entschied er sich – frei. Er bindet sich neu – frei. Und das lässt ihn wachsen.

Tag für Tag wird er sich mehr und mehr dem zuwenden, was von außen betrachtet abstoßend ist. Das sind die unheilbar Kranken im Hospiz. Das sind die Enttäuschungen, die seine wachsende Brüdergemeinschaft ihm bereitet (und wer nicht auf einer einsamen Insel lebt, wird vor Enttäuschung durch Menschen nicht bewahrt bleiben). Das ist die schon vor 800 Jahren zutiefst marode Kirche, deren machthungriger Papst und deren ungebildete Seelsorger viele Fragen aufwerfen. Das ist auch der eigene Leib, dem Franziskus gegen[1]übersteht: Versuchungen wie auch chronische Krankheiten bis hin zur Blindheit zeichnen sein Leben.

FREIHEIT – erfordert Entscheidung

Franz stellt sich nach Kräften: er entscheidet sich frei für den Dienst an den Armen – und für die eigene Armut. Er nimmt die Brüder an, die zu ihm kommen und versucht, mit ihnen ein Lebensprogramm zu formen und zu verwirklichen. Er will die Bestätigung seiner Ordensregel durch die römische Kirche – er will die[1]se „verrunzelte“ Kirche nicht im Stich lassen, sondern in ihr das Evangelium verwirklichen, gegen alle Zweifel der Kurie. Er will in Freiheit sich selbst ganz und gar in den Dienst, in die Fußspuren Jesu stellen

Frei entscheidet er sich dazu. Er hätte es anders haben können. Der freie Mensch ist dazu fähig, sein Leben nicht zum Selbstzweck zu machen. Und darin liegt der Adel, zu der der Mensch fähig ist: in dieser Hingabe kann er zum „königlichen“ Menschen werden – zumindest schreibt Franz das in seine Ordensregel, genau in die Mitte, hinein. Solche Menschen beschenken die Welt.

 

 

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