Bruder Jürgen, Bruder Rudolf, wenn wir hier miteinander sprechen, dann fällt als erstes der Unterschied beim Habit zwischen Ihnen auf. Welcher ist denn der Praktischere von beiden?
Bruder Rudolf Dingenotto: Bei uns Franziskanern gibt es die Möglichkeit, die Kapuze zu trennen. Insgesamt finde ich den Habit der Kapuziner einfacher für den täglichen Umgang, da die Ärmel und die ganze Kutte etwas schmaler geschnitten sind als unsere.
Bruder Jürgen Maria Böhm: Das sehe ich auch so. Der Habit der Kapuziner ist etwas näher an der Ursprungs- und der Kreuzform. Sprich: so wenig wie möglich Stoff. Unpraktisch ist es in der Tat, wenn man den Habit in der Messe hat. Dann kommt man mit der Kapuze hinten nicht ganz zurecht und es kann sich ein kleiner Wulst bilden.
Haben Sie schon mal den anderen Habit ausgetestet?
Br. Jürgen Maria: Ich habe mal den Kragen getestet und gemerkt, dass mir das auch stehen würde (lacht).
Wie kommt es eigentlich, dass Sie hier in Frankfurt zusammenleben?
Bruder Rudolf Dingenotto: Wir Franziskaner haben bei unserem Kapitel darüber nachgedacht, welche Dinge wir in Zukunft angehen wollen. Eine der Ideen war die Zusammenarbeit mit den Kapuzinern in der Citypastoral. Am Ende des Prozesses haben wir hier in Frankfurt in Liebfrauen angefragt und ich habe einige Tage mitgelebt. Mir hat das sehr zugesagt. Anschließend haben die Provinzleitungen entschieden, diesen Weg zu gehen.
Es ging also sowohl um die City-Seelsorge als auch um die Stärkung der Zusammenarbeit der beiden franziskanischen Orden?
Br. Rudolf: Ja, von unserer Warte aus ging es um beides.
Br. Jürgen Maria: Wir Kapuziner wollten auf jeden Fall den interfranziskanischen Dialog stärken. Und da fängt man am besten ganz konkret vor Ort an. Frankfurt ist dafür der richtige Platz.
Als mit Bruder Rudolf ein Franziskaner neu in den Kapuziner-Konvent kam: Was hat er mitgebracht und was wurde verändert?
Br. Jürgen Maria: Bruder Rudolf hat einige neue und bereichernde Elemente mit hereingebracht. Spontan fällt mir ein, dass wir im Stundengebet seine Anregungen aufgenommen haben – eine Änderung, die gut ankommt. Da sind wir sicher innerhalb der Deutschen Kapuzinerprovinz der einzige Konvent, der das Stundengebet auf diese andere Art praktiziert.
Br. Rudolf: Für mich war die Anfangszeit sehr spannend und es ging darum, alles aufzunehmen und mich einzuleben. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass wir hier alles gemeinsam denken und umsetzen. Es spielt keine Rolle, dass ich Franziskaner und kein Kapuziner bin.
Wenn Ihnen ein Gast die Frage stellt, was ist der Unterschied zwischen einem Franziskaner und einem Kapuziner: Was antworten Sie dann?
Br. Jürgen Maria: Ehrlich gesagt finde ich die Beantwortung dieser Frage schwierig. Ich rede in solchen Fällen oft von der Vergangenheit, von kulturellen Unterschieden. Wir Kapuziner haben Bärte getragen, die Franziskaner nicht. Früher. Es gibt einen Stallgeruch, natürlich. Aber das ist es auch schon. Dazu kommt, dass dieser Stallgeruch oft stärker regional geprägt als durch Ordensgrenzen.
Aus dem Leben hier vor Ort könnte man keine Unterschiede mehr benennen?
Br. Jürgen Maria: Nein.
Br. Rudolf: Ich finde auch, dass man diese Frage nur geschichtlich beantworten kann. In den 60er-Jahren hat sich hier einiges aufgelöst. Vor allem durch Mitbrüder bei Franziskanern und Kapuzinern, die Schriften von Franziskus neu herausgegeben haben. Wir mussten nicht mehr auf Heiligenbeschreibungen zurückgreifen, die das Bild von Franziskus beschönigt, verfärbt und lieblich gemacht haben. Von diesem Augenblick an, so zumindest mein Eindruck, haben Kapuziner, Konventuale und Franziskaner wieder gespürt, dass wir von der ursprünglichen Spiritualität des Franziskus her den gleichen Ursprung haben. Das ist die Substanz, aus der wir interfranziskanisch denken und hoffentlich in Zukunft noch stärker zusammenarbeiten.
Gibt es genug Schwung, diese Spiritualität gemeinsam weiterzuentwickeln?
Br. Jürgen Maria: Ich glaube, dass beide Orden zu stark mit sich selbst beschäftigt sind. Und noch sind vielleicht auch die Schrumpfungsschmerzen in den Orden nicht heftig genug. Nicht zuletzt sind wir ein weltweiter Orden, und da spielt Rom auch eine Rolle.
Br. Rudolf: Ich sehe das ähnlich. Vieles müsste vom Weltorden ausgehen, eine einzelne Provinz kann das nicht entscheiden. Dennoch ähneln sich ja unsere Herausforderungen, etwa beim Nachwuchs oder beim Auflösen der Häuser. Allein wir Franziskaner haben in Deutschland seit 1975 88 Klöster aufgelöst. Das ist eine schmerzliche Aufgabe, die viel Energie braucht. Auch die ordensinterne Fusionierung von Provinzen kostet Kraft. Da ist nicht mehr viel Luft für andere, ordensübergreifende Dinge.
2017 gab es ein Treffen der drei Provinziäle der franziskanischen Männerorden, auf dem sogar über eine Vereinigung der drei Orden gesprochen wurde. Werden Sie das noch erleben?
Br. Rudolf: Es ist eine Hoffnung. Aber ob das alle im weltweiten Orden so sehen, bezweifele ich. In den über 80 Ländern ist die Situation sehr unterschiedlich. Alle Brüder in einer Generation zusammenzubringen, das wird fast unmöglich. Aber das muss ja auch gar nicht sein. Ich wünsche mir eine Vielfalt in der Einheit, gemeinsame Noviziate und das Zusammenleben und ‑arbeiten verschiedener Gruppen.
Br. Jürgen Maria: Man bräuchte noch mehr Anknüpfungspunkte wie in Frankfurt. Ich kann mir nach dieser guten Erfahrung hier jetzt auch vorstellen, bei den Franziskanern in einem Konvent tätig zu sein, wenn mich die Aufgabe reizt. Eine Fusion von oben herab wird nicht klappen. Wir brauchen mehr Offenheit, an allen unseren Orten der Provinz und in der Ausbildung.
Br. Rudolf: Beide Orden schließen immer mehr Häuser und geben damit spezifische Aufgaben aus der Hand, für die manche Brüder genau passen. Aber vielleicht kann ich ja in einem Konvent von Kapuzinern oder Minoriten mein Charisma entfalten? Das ist doch eine ungeheure Chance.
Sie leben jetzt hier knappe zwei Jahre zusammen, wie lautet denn Ihr Fazit?
Br. Rudolf: Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt für mich gemacht habe! Ich habe viel Neues gelernt, von der Stadt, von der Citypastoral, von der Kirchenmusik, von der Internationalität, von den Sprachen und kulturellen Möglichkeiten. Ich schätze sehr, dass wir hier im Konvent auch konfliktreiche Dinge offen ansprechen.
Und im Hinblick auf die interfranziskanische Zusammenarbeit?
Br. Rudolf: Wenn ich nicht schon 80 wäre, könnte ich mir vorstellen, an anderer Stelle bei einem Neuanfang der Kapuziner dabei zu sein.
Br. Jürgen Maria: Ich finde es sehr bereichernd, dass Br. Rudolf bei uns ist. Er bringt einen anderen Schwung mit und hat vor allem im psychologischen Bereich sehr viel Erfahrung, von der wir alle profitieren.
Zum Abschluss würde ich gerne wissen: Warum sind Sie eigentlich Kapuziner und Franziskaner geworden?
Br. Jürgen Maria: Als Kind wollte ich Polizist werden – oder in einen Orden gehen. Später wurde mir klar, dass ich etwas Geistliches machen wollte. Bei uns in der Gegend gab es nur Franziskanerklöster. Dass es die Kapuziner geworden sind, liegt vor allem an Besuchen in Altötting, wo mich Bruder Konrad stark fasziniert hat. Und, ein kleiner Nebenaspekt: Ich wollte nicht zu nah meiner Heimat ins Kloster, und da war mir das Franziskanerkloster Vierzehnheiligen einfach zu nah (lacht).
Bei Ihnen, Bruder Rudolf?
Br. Rudolf: Ich komme aus der Diözese Paderborn, da gibt es überhaupt keine Kapuzinerklöster. Ich lernte die Franziskaner über einen Onkel kennen, der Gärtner und Franziskaner war. Dort durften wir immer Fußball spielen. Das hat mich schon als 11-jähriger so beeindruckt, dass ich abends heimkam und meiner Mutter verkündete, dass ich Franziskaner werden wollte, weil man dort im Kloster so gut Fußball spielen könne. Dann bin ich auf ein Franziskanerinternat gegangen und lernte auch die Volksverbundenheit und einige Missionare der Franziskaner kennen. Das alles hat mich gepackt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Foto und Interview: Tobias Rauser. Das Gespräch wurde zuerst veröffentlich auf kapuziner.de. Lesen Sie dort mehr über das Leben und Wirken der Kapuziner in Deutschland und in aller Welt.