Maria:
Mutter der Kirche und Vorbild im Glauben

Maria ist das Bild eines erlösten Menschen, auf das jeder Mensch hoffen darf.

Ein Beitrag von Hannelore Wenzel

Von Maria sind viele Bilder überliefert

Jungfrau, Mutter Jesu, Muttergottes, Fürbitterin, Himmelskönigin auf der Mondsichel usw. Doch die Bedeutung Mariens lässt sich nicht in einem Bild festmachen, wie der Dichter Novalis dies in einem seiner Gedichte treffend ausdrückt: Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt, doch keins von allen kann dich schildern, wie meine Seele dich erblickt.

Maria wurde schon in frühchristlicher Zeit eine Vorrangstellung in der christlichen Frömmigkeit eingeräumt.

Eine ausgefaltete Lehre über ihre Rolle im Heilsplan Gottes existierte in den ersten Jahrhunderten der Kirche allerdings noch nicht. Die Marienverehrung setzte erst gegen Ende des 3. Jahrhunderts ein. Die unterschiedlichen Bilder von Maria wurden Gegenstand ihrer Verehrung und zur Grundlage der kirchlichen Aussagen über sie, die sogenannten Mariendogmen. Die Kirche begann Marienfeste in den Festkalender aufzunehmen, zunächst im Osten des Römischen Reiches und seit dem 7. Jahrhundert  auch im Westen. Erste Maiandachten gab es bereits im Mittelalter und seit dem 17. Jahrhundert wird Maria im Monat Mai besonders verehrt.

Die Reflexion über Maria stand immer im Zusammenhang mit dem Nachdenken über das Geheimnis Jesu Christi.

Für die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte stand zunächst nur Christus im Mittelpunkt ihrer theologischen Reflexionen sowie die Frage wie man sich das Verhältnis zwischen Gott und Jesus von Nazareth zu denken hat.  Diese führten schließlich zu dem Bekenntnis, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Erst dann setzte auch die Reflexion über Maria ein. Die Kirche begann verschiedene Einzelaussagen über Marias Rolle in der Erlösung, ihrer persönlichen Beziehung zu Gott und ihrer Person festzuhalten, die dann schriftlich fixiert wurden.

Die Kirche kennt vier Mariendogmen:

  • Maria ist die Mutter Gottes

Basierend auf dem Bekenntnis, dass Jesus, der Sohn Gottes, zugleich als wahrer Mensch und wahrer Gott geboren wurde, wurde Maria auf dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 n. Chr. der Titel  „Mutter Gottes“ zugesprochen. Wenn Jesus der Sohn Gottes ist, dann muss Maria, so folgerten die Konzilsväter, die Mutter Gottes sein. „Wenn jemand die heilige Maria nicht als Gottesgebärerin annimmt, dann ist er von der Gottheit getrennt“, schreibt Gregor von Nazianz in einem seiner Briefe (epist. 101,4). Die Muttergottesschaft Mariens wurde zum Hauptgrund ihrer Verehrung in der Kirche.

  • Maria war allzeit Jungfrau

In der kirchlichen Tradition wird Maria als „allzeit jungfräuliche Gottesmutter“ bezeichnet. Die Jungfräulichkeit ist nicht in erster Linie eine biologische Aussage, sondern eine theologische. Die Aussagen „empfangen vom Heiligen Geist“ und „geboren von der Jungfrau Maria“ gehören eng zusammen. In der griechischen Übersetzung des Jesajabuches ist die Verheißung überliefert, dass Gott einen messianischen Retter senden wird, der seinen Namen tragen wird: Immanuel – Gott mit uns, geboren von einer Jungfrau. Laut dem Lukasevangelium empfängt Maria vom Heiligen Geist. Lukas bringt damit zum Ausdruck, dass Gott selbst hier am Werk ist. Er tut dies jedoch nicht ohne Mariens Zustimmung. „Jungfräulichkeit ist weit mehr als leibliche Unversehrtheit, sie besagt, dass ein Mensch in allen Dingen mit seinem Wesen übereinstimmt, nämlich Abbild Gottes zu sein“ (M. Schneider, Maria-Kirche im Ursprung, 19).

Im Markusevangelium findet sich die Aussage Jesu, dass wer den Willen Gottes tut, für ihn, Jesus, Bruder und Schwester und Mutter ist (Mk 3, 35). Für die Kirchenväter stand außer Frage, dass Maria zu dieser ‚wahren Familie Jesu‘ gehört und zwar nicht weil sie seine Mutter war, sondern weil sie durch ihr JA-Wort (siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe wie du es gesagt hast, Lk 1,38) ihre Mitwirkung am Heilsplan Gottes zusagte und ein Leben lang daran festhielt. Das Interesse der frühen Kirche an Maria, der Mutter Jesu, ist daher kein biografisches, sondern ein theologisches. Gregor von Nyssa folgerte aus der Szene im Markusevangelium, dass es jedem Menschen möglich ist, in diesem Sinn Mutter zu werden, wenn er sich nur von Gott leiten lässt (Gregor von Nyssa, Über die Jungfräulichkeit 13,18).

Besonders im Lukasevangelium wird uns von Maria das Bild einer zutiefst glaubenden und Gott vertrauenden Frau vermittelt. Was Maria auszeichnet, ist, dass sie nicht an ihren Zukunftsplänen festhält – denn sie hatte sicherlich Pläne gehabt. Schließlich war sie bereits einem Mann versprochen und mit ihm verlobt. Vielmehr lässt sie sich ein auf den Plan, den Gott für sie hat und das ganz freiwillig. An Maria wird deutlich, dass Gott sich nicht aufdrängt und nicht am Menschen vorbei handelt. Maria, die gläubige Jüdin, hat Gott ganz tief vertraut. Denn sonst hätte sie den Lobpreis auf Gott nicht anstimmen können, den Lukas ihr in den  Mund legt, das Magnificat:  „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter“ usw. Und das obgleich Gott sie in eine schwierige Situation gebracht hatte. Auch in Marias weiterem Leben gab es Angst, Enttäuschungen, Schatten und Tiefen. Und sie musste das für eine Mutter Schlimmste erleiden: den Tod ihres Sohnes am Kreuz. Dennoch blieb Maria ihrem JA zum Willen Gottes treu. „In dieser Treue des Glaubens  wird Maria zur Urform christlicher wie auch kirchlicher Existenz im Glauben, sie zeigt, was jedes christliche Leben bestimmt: das Hören auf Gottes Wort und die Bereitschaft, in allem seinen Willen zu erfüllen“ (M. Schneider, Maria-Kirche im Ursprung, 19).

Maria kann für uns Vorbild sein. Auch wir sind eingeladen, Gottes Ruf zu folgen, mit all den Fähigkeiten, mit denen er uns ausgestattet hat.  Das ist nicht immer leicht, denn im Leben gibt es immer wieder schwierige Situationen. Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott auch unsere Wege mit uns geht. „Liebe deine Lebensgeschichte, denn sie ist der Weg, den Gott mit dir gegangen ist“, schrieb der russische Dichter Leo Tolstoi.

  • Maria ist ohne Erbsünde empfangen

Die Kirche glaubt, dass Maria ohne Erbsünde empfangen wurde, d. h. dass sie von der Erbsünde bewahrt blieb und in diesem Zustand bereits vor ihrer Geburt war. Die Erbsünde meint das „Auseinanderfallen dessen, was der Mensch von Gott her ist, und dessen, was er selber ist“ (M. Schneider, Maria-Kirche im Ursprung, 23). Und genau dieser Widerspruch, dem alle Menschen von Geburt an ausgesetzt sind, fehlt bei Maria. Sie war von Anfang an aufs Engste mit Gott verbunden. Maria war ein Mensch, so wie Gott den Menschen gewollt hat, wie eine ‚Rose ohne Dornen‘. Gott hat Maria von Anfang an bewahrt vor Sünde und Schuld und sie zur Mutter seines Sohnes erwählt. Deshalb beten wir im Ave Maria „Du bist gebenedeit unter den Frauen“, d. h. gesegnet unter allen Frauen. Als Mutter des Sohnes Gottes, des Erlösers, wurde sie zur Heilsträgerin.

Die im Epheserbrief überlieferte paulinische Lehre von der Kirche wurde von den Kirchenvätern auf Maria bezogen. Die hier aufgeführten Eigenschaften – „So will er (sc. Christus) die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos“ (Eph 5,27) –  sahen sie in Maria verwirklicht. Die anfangs über die Kirche vorherrschenden Aussagen wurden so auf die Gottesmutter übertragen.

Als Getaufte sind auch wir Gott geweiht. Im Brot des Lebens, der Kommunion, haben wir schon zu Lebzeiten Gemeinschaft mit ihm. Im Sakrament der Eucharistie und im Bußsakrament befreit er uns von Schuld und Sünde. Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz die Freundschaft zwischen Gott und Mensch wieder hergestellt. Mit Marias JA konnte Gott einen neuen Anfang mit den Menschen setzen.

  • Maria ist in den Himmel aufgenommen

Auch der Glaube an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel geht in die frühchristliche Zeit zurück. Das Dogma wurde erst  im Jahr 1950 formuliert. Auch hier handelt es sich um eine theologische Aussage. Jeder Mensch ist sterblich und kann dem Tod nicht entgehen. Wenn aber ein Mensch nicht aus sich lebt, sondern sich vom Heiligen Geist leiten lässt, dann beendet er im Tod zwar sein irdisches Leben, aber er geht als „der ganze Mensch ins Heil“ (J. Ratzinger, Die Tochter Zion, 72ff.).

Die Kirche wollte auch mit diesem Dogma die Verbundenheit Mariens mit Gott hervorheben, beginnend mit ihrer Zeugung, sodann ihrer Berufung, ihrem Leben bis zu ihrem Tod. Dieser Verbundenheit konnte ihr leiblicher Tod nichts anhaben. Die Verbindung zwischen ihr und Gott besteht über ihren Tod im Himmel weiter, sie wurde von Gott in sein göttliches Leben aufgenommen. Es ist dies das Bild eines erlösten Menschen, auf das jeder Mensch hoffen darf. Mit Leib und Seele in die Herrlichkeit Gottes eingehen heißt, dass der Mensch als ganzer, mit allem was er in seinem Leben getan, erlebt und erfahren hat, zu Gott gelangt. Nichts von allem geht verloren. Im Brief an die Epheser ist von der Gnade Gottes die Rede, die jedem Menschen verheißen ist: „Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz in den himmlischen Bereichen gegeben“ (Eph 2, 6). Diese Verheißung hat sich an Maria erfüllt und diese Verheißung gilt allen Menschen. Es gibt so etwas wie eine „Himmelfahrt des Getauften“, schreibt Michael Schneider (Maria-Kirche im Ursprung, 25).

Auch heute noch ist Maria für viele Christen ein wichtiges Vorbild.

Menschen fühlen sich zu ihr hingezogen, weil sie die ganze Not des Lebens und der Gottesferne durchlitten hat. So jedenfalls hat es die Französin Madeleine Delbrêl ausgedrückt. Bilder von Maria finden sich in zahlreichen Gebeten, Liedern, Legenden und auch in der Musik. Nicht alle Marienbilder werden jedem Christen gleich nahe sein.

Auf Papst Benedikt XVI geht die Aussage zurück: „Je näher der Mensch Gott ist, desto näher ist er den Menschen. Das sehen wir an Maria. Der Umstand, dass sie ganz nahe bei Gott ist, ist der Grund dafür, dass sie auch den Menschen so nahe ist.“ Wir dürfen daher Maria als Fürsprecherin anrufen. Wichtig ist hervorzuheben, dass Maria niemals angebetet wird, wie dies missverständlich oft angenommen und katholischen Christen vorgeworfen wird.  Christen beten ausschließlich den dreifaltigen Gott an. Maria wird verehrt und um Fürsprache gebeten. Im Ave Maria bittet der Gläubige Maria um ihre Bitte für uns Sünder. Neben dem Vaterunser, zählt das Ave Maria für viele katholische Christen zu ihren wichtigsten Gebeten. Das Ave Maria erinnert  den glaubenden Menschen daran, dass Gott für jeden Menschen eine Stelle in seinem Heilsplan hat und Gott von ihm / von ihr eine persönliche Antwort erwartet. Wichtig dabei ist, dass kein Glaubender die Gnade Gottes für sich selber empfängt.

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