Eindrücke vom “Kreuzweg der Welt” am letzten Freitag, 22. März 2024 in der Liebfrauenkirche
„Schenke den Mächtigen der Welt ein neues Herz“
13 muttersprachliche Gemeinden haben am Freitagabend in der Liebfrauenkirche in der Innenstadt den „Kreuzweg der Welt“ gebetet und ihre Sorgen vor Gott gebracht. Dabei spielte die Weltpolitik eine große Rolle. Deutlich wurde, wie unterschiedlich persönliche Leidenserfahrungen sind.
FRANKFURT.- Eine volle Kirche in Stille, eine einzelne Stimme, die in einer anderen Sprache von den Leiden Jesu erzählt – der „Kreuzweg der Welt“, der von muttersprachlichen Gemeinden jedes Jahr in der Kar-Zeit kurz vor Ostern in Liebfrauen gefeiert wird, ist immer ein eindringliches Ereignis. Doch in Zeiten, in denen Kriege, humanitäre Katastrophen und Anschläge die Welt erschüttern, ist die Bedeutung des Ganzen noch schwerer auszuhalten.
Der von Russland initiierte Krieg gegen die Ukraine, das Leid der israelischen Geiseln in Hamas-Gewalt, die schreckliche Situation der Menschen im nördlichen Gaza-Streifen, aber auch medial weniger beachtete Notlagen wie die des von verschiedenen Seiten bedrohten Volkes im Gebiet Tigray im Norden Äthiopiens oder die Lage der von starkem Hochwasser betroffenen französischen Regionen Nord und Pas de Calais – der Kreuzweg der Welt ist traditionell politisch. Dazu gehört auch, dass die spanischsprachige Gemeinde für Opfer von Femizid in Lateinamerika betet und viele andere Gemeinden für die Überlebenden von Vergewaltigung, für Alleinerziehende, Alleingelassene, einsame Menschen und Kranke. Es scheint, als ob das Leid der Welt an diesem Abend den Kirchraum in Liebfrauen bis zur hohen Decke erfüllt.
Der Kreuzweg hat traditionell 14 Stationen – und neben 13 muttersprachlichen Gemeinden, deren Bibelstellen und Leidenserfahrungen im Begleitheft unter https://tinyurl.com/2ck3wank nachgelesen werden können – tragen bei der Andacht am Freitagabend auch die gastgebenden Kapuziner wieder einen Part vor. „Seit 2016 gibt es den ,Kreuzweg der Welt‘, bei dem Menschen eine Leiderfahrung ihres Heimatlandes oder ihrer Gemeinschaft in Frankfurt benennen und mit dem Kreuzweg Jesu verbinden“, erklärt Brigitta Sassin, Referentin für Gemeinden anderer Muttersprache und christlich-islamischen Dialog in der Katholischen Stadtkirche und Organisatorin der Andacht. „Wir teilen diesen Kreuzweg als ein Zeichen der Verbundenheit: wir bitten, dass Gott sich der Menschen, die wir im Herzen tragen und hier erinnern, erbarmen möge.“ Gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Opielka, Pastorale Mitarbeiterin der Spanischsprachigen Katholischen Gemeinde, und Br. Bernd Kober, Rektor der Liebfrauenkirche, leitet sie den Kreuzweg und sagt die einzelnen muttersprachlichen Gemeinden an. Nach den Bibel- und Gesangbuchtexten, die jeweils auf der Muttersprache vorgetragen werden, folgt auf Deutsch ein Zeugnis der Sprechenden, das wie eine aktuelle politische Einordnung funktioniert.
Nur eins ist sicher
„Jesus, der Du für die Sünden der Welt ans Kreuz genagelt wurdest und durch Deinen Willen, Gehorsam und die Liebe das Böse überwunden hast, wir bitten dich um Frieden für die Welt“, beten zwei Mitglieder der Gruppe „Catholic Connect“ aus Liebfrauen. „Wir bitten Dich auch für die Mächtigen der Welt, die durch ihre Gier nach Macht und Geld geblendet für die Kriege verantwortlich sind. Schenke ihnen ein neues Herz. Schenke ihnen die Erkenntnis, dass in dieser Welt nur eines sicher ist – Deine Liebe.“
Auf ähnliche Weise tragen alle 13 beteiligten muttersprachlichen Gemeinden ihre Sorgen vor Gott. Die Maronitische Gemeinde verliest nach ihrem auf Arabisch vorgetragenen Bibelvers das Zeugnis: „Das Leiden Jesu am Kreuz findet eine bedeutsame Parallele zu den Leiden der Menschen im Nahen Osten. Insbesondere im Heiligen Land und im Libanon sind viele täglich mit den Schrecken von Krieg und Gewalt konfrontiert.“ Der jahrzehntelange Konflikt im Heiligen Land und die Situation im Libanon unter der Herrschaft der pro-iranischen Miliz Hizbollah spiegelten auf tragische Weise das dunkle Bild der Kreuzigung wider: „In diesen Regionen fühlen sich viele Menschen verlassen und vergessen, während sie täglich unter den Folgen von Krieg und Zerstörung leiden. Ihre Schreie der Verzweiflung hallen ähnlich wie die letzten Worte Jesu am Kreuz in der Leere wider.“
Aber so ganz ohne österliches Hoffnungszeichen lassen Sassin und das Vorbereitungsteam die Anwesenden dann doch nicht gehen: Am Ende des gut einstündigen Kreuzwegs gibt es für jede und jeden, die nach vorne kommt, um vor dem Kreuz niederzuknien, eine Tulpe – und hoffentlich ein wenig guten Glauben, dass es im nächsten Jahr weniger Leid zu beklagen gibt.
Herausgegeben von der Katholischen Stadtkirche Frankfurt
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