Br. Rudolf wurde im September verabschiedet.
Was vor drei Jahren als Stärkung der Zusammenarbeit der beiden franziskanischen Orden und einer gemeinsamen Citypastoral begann, geht nun zu Ende – vorerst zumindest. Bruder Rudolf Dingenotto hat Liebfrauen im September verlassen und ist in das Franziskanerkloster in Berlin-Pankow umgezogen. Viele haben ihn als Priester und Seelsorger sowie als begeisterten Radfahrer schätzen gelernt.
Lesen Sie Bruder Rudolfs Worte zum Abschied sowie ein paar Stimmen aus der Gemeinde!
Wir wünschen ihm Gottes reichen Segen für seine neuen Aufgaben im Franziskanerkloster in Berlin-Pankow!
Sei allem Abschied voran
Sie kennen den Seufzer beim Geburtstag und an Sylvester „Wie schnell die Zeit verfliegt“. Ich staune auch, wie schnell die drei Jahre in Liebfrauen verflogen sind. Im Psalm 90 heißt es: Unser Leben währt 70 Jahre, und wenn es hochkommt, sind es 80. Im nächsten Jahr werde ich 80, und jetzt bereite ich mich auf den 18. Umzug nach Berlin vor.
Als ich im September 2019 bei den Kapuzinern einzog, war es fast wie eine Heimkehr. Schon um 1280 zogen die ersten Franziskaner nach Frankfurt. Wo heute die Paulskirche steht, stand vorher die Franziskanerkirche. In der Reformationszeit ging das Kloster unter. Später versuchten die Kapuziner nach Frankfurt zu kommen. Zweimal wurden sie vertrieben. Jetzt sind sie seit 100 Jahren vor Ort – mitten in der Stadt wie vorher die Franziskaner.
Ich durfte als Seelsorger in Liebfrauen mitarbeiten und als Gast bei den Kapuzinern leben. Spannende, erfüllte drei Jahre lang. Bisher kannte ich die Skyline Frankfurts nur vom Zug aus, die Umgebung von zwei Pastoralkursen in Mainz und Bad Nauheim.
Nach dem Vorbild von P. Christian habe ich an meinen freien Tagen die Umgebung zu Fuß erkundet: den Feldberg im Schnee und den Melibokus im Regen, den Goetheturm und den Lohrberg, den Grüngürtel und Stadtwald. Über 13.000 km bin auf den guten Radwegen gefahren, am liebsten auf dem Mainradweg, der mich zu meinen Nachbarklöstern Engelberg, Großkrotzenburg, Hofheim und Marienthal führte. Mit der Seniorenkarte konnte ich durch ganz Hessen für 1,-€ fahren. Die Radwallfahrten waren eine gute Gelegenheit, Menschen kennenzulernen, die im Glauben unterwegs sind.
Wenn die Umgebung den Menschen prägt, so waren es für mich der Binnenhof des Klosters mit dem Brunnen; der Kirchhof mit den Menschen, die eine Kerze anzünden oder zum Frühstück kommen; die Fußgängerzone mit vielen Straßenmusikanten; die Hochhäuser, zwischen denen ich das schwere Hartgeld der Opferstöcke zur Bank schob; und der Main mit dem Eisernen Steg. Von dort habe ich oft den Touristen zugewunken, die mit dem Schiff unterwegs waren. Mitten in der Stadt zu wohnen, ist ein großer Vorteil. Fast alles ist gut zu Fuß erreichbar: die Museen, Bibliotheken, Einkaufhäuser, Ärzte.
Jetzt steht der Abschied an. Einige sagen „schade“ mit trauriger Stimme. Das verstehe ich. Im Unterschied zu ihnen wusste ich von Anfang an: Ich bin für drei Jahre ausgeliehen. Jetzt braucht mich mein Orden für unsere Suppenküche in Berlin. In den letzten 12 Jahren ist ein Mitbruder zu uns gekommen, 130 sind gestorben. Das ist unsere Realität.
Sehr gern bin ich im Kapuzinerkloster Liebfrauen in Frankfurt gewesen. Die Ähnlichkeit im klösterlichen Leben war so groß, dass ich mich schnell wie zu Hause fühlte. Das Zusammenleben mit den Brüdern und vielen Besuchern aus aller Welt lag mir. Ich nahm gern montags am Gemeinschaftsabend und jeden Mittwoch vormittags am Bibelgespräch, der Befindlichkeitsrunde und dem Planen teil. Die Kapuziner haben eine schöne Kultur der Feier der Namenstage und Feste entwickelt bis hin zum Wichteln an Weihnachten. Die regelmäßigen Gebetszeiten morgens, mittags und abends gaben dem Tag eine gute Struktur. Wir haben oft über Glaubensfragen diskutiert und auch viel gelacht.
Liebfrauen als Kirche mitten in der Stadt ist einmalig. Immer sind Gläubige zum Gebet oder Touristen zum Schauen in der Kirche. Monatlich werden ca. 40 000 Kerzen angesteckt. Oft erklingt gute Orgelmusik oder Gesang. In den drei Jahren durfte ich über 400mal predigen und gut besuchte Gottesdienste feiern. Zum Glück gibt es das Turmzimmer. Während der Coronaphase konnten wir ununterbrochen an allen Werktagen Beichte und Beratungsgespräche anbieten. Das gibt es in keiner anderen Kirche der Diözese. Ich habe diesen Dienst sehr gerne getan. Viele Menschen von Belastung, Konflikten, Schuld(zuweisungen), seelischer Not zu befreien, war für mich ein Höhepunkt priesterlichen Wirkens.
Neu war für mich, als „Polizist“ bei der Einlasskontrolle aufzutreten. Aber es half auch, Gottesdienstbesucher persönlich zu begrüßen und Kontakte aufzubauen. Gern bin ich auch zur Gruppe Lukas 14 gegangen. Erstaunlich, wie Menschen mit allen möglichen Formen von Beeinträchtigungen kreativ umzugehen verstehen. Ebenso gern habe ich die Frauen und Männer besucht, die Sr. Sigrid in ihrem Haus unkompliziert von der Straße kommend aufnahm.
Reich beschenkt mit neuen Mitbrüdern und vielen Erfahrungen ziehe ich nach Berlin. Ich war schon einmal dort – ich fange nicht bei Null an. Das macht mir den Umzug leichter. Vor mir sind schon viele Kapuziner gekommen und gegangen. Vielleicht ist es ein Trost, dass Jesus auch nur drei Jahre öffentlich gewirkt hat. Der Brunnen wird weiter plätschern und die Glocken werden regelmäßig läuten. Ich hoffe sehr, dass die Kapuziner hierbleiben. Das Leben ist ein ständiges Sich-gewöhnen und Ent-wöhnen. Und der Pilgerstab ein schönes Symbol franziskanischen Lebens.
Ich danke den Kapuzinern und allen Mitarbeitern und Besuchern, die mein Leben bereichert, mir geholfen oder Resonanz gegeben haben. Allen wünsche ich Frieden und Heil.
Ihr Bruder Rudolf
Stimmen aus der Gemeinde zum Abschied...
Petra Denck
Zusammen unterwegs in Gottes Schöpfung“ lautete das Thema einer der Radwallfahrten, die du angeboten hast. Wir haben die Farben und Düfte der Natur wahrgenommen, über „Gott und die Welt“ geredet und gebetet. Lieber Rudolf, du warst mit uns in Liebfrauen drei Jahre lang auf dem Weg, hast uns in deinen Predigten einen neuen Blick eröffnet und in der Seelsorge viele Menschen aufgerichtet. Überhaupt warst du den Menschen auf ganz besondere Weise zugewandt, an ihnen interessiert und hast Begegnungen mit deinem feinen Humor bereichert. Dafür möchte ich dir von Herzen danken. Du warst ein Segen für Liebfrauen – und wirst es zukünftig für die Menschen in Berlin-Pankow sein.
Johannes Becker beschreibt, was Bruder Rudolf ausmacht:
Der Gelassene … lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn z.B. ein verwirrter Mensch während des gesamten Gottesdienstes durch die Kirche läuft und laut wird.
Der Verschmitzte … fragt eine Gottesdienstbesucherin, die vor dem Schaukasten steht: „Weißt du, wer heute die Messe hat?“ – wohlwissend, dass er selbst gleich zelebrieren wird.
Der Rüstige … der im 80sten Lebensjahr, völlig gerade einherschreitet, eine kerzengerade Kniebeuge macht, mehr als 3000 km pro Jahr mit seinem Elektrorad fährt und bei Schnee 19 km wandert.
Der Kontaktfreudige … der mühelos auf Menschen zugeht und in der Sakristei einen Messdiener fragt: „Kann ich Sie und Ihre Frau einmal besuchen, geht das ?“
Der Unprätentiöse … der in seinen Ansprachen mit einfachen Worten und Beispielen, die Dinge auf den Punkt bringt: „Stellt man eine Kerze in einen dunklen Raum, wird der ganze Raum hell, öffnet man bei Dunkelheit das Fenster, gelangt die Dunkelheit nicht hinein, darin sieht man die Kraft des Lichts.“
Der Neugierige … der auf immer neuen Wegen die Welt erkundet. Sei es mit Fahrrad, im Segelflugzeug oder von der Spitze eines Hochhauses.
Der Bewegliche … der immer aufs Neue Abschied nimmt und jetzt zum 19. Mal umzieht.
Veronique Held
Es war eine große Freude bei den Radwallfahrten von Bruder Rudolf mitzufahren und die Umgebung Frankfurts mit spirituellen Impulsen zu entdecken. Ich habe Bruder Rudolf als interessierten und neugierigen sowie einen in sich ruhenden Menschen erlebt – stets eine bereichernde Gesellschaft. Für seine neue Aufgabe in Berlin-Pankow wünsche ich ihm alles Gute und Gottes reichen Segen.
Anita Kern
Lieber Rudolf, drei Jahre hast du uns mit deinem Da-Sein erfreut und bereichert. Ich möchte dir herzlich dafür danken! Für deine bescheidene, besonnene, tiefgründige Art, deinen Humor, dein Auf-die-Menschen-zugehen, deine guten Predigten und heilsamen Gottesdienste, deine Fahrradwallfahrten – und so viel mehr. Du hast bleibende Spuren hinterlassen und wir sind traurig, dass du gehst. Für deine neue Aufgabe in Berlin-Pankow wünsche ich dir von Herzen einen guten Start, liebevolle Menschen und Begegnungen, Tatkraft, weiter gute Ideen und Inspirationen sowie über allem natürlich Gottes reichen Segen und gute Gesundheit.
Interview mit Br. Rudolf zum Franziskanischen Orden