Ausbrechen
Wie umgehen mit den Fehlern der Kirche?

Ein Auszug aus einer Predigt von Br. Jinu George

Br. Jinu verweist in seiner Predigt auf Paulus und Petrus und sagt: „Wir sollten die Netze neu auswerfen und aus dem Gewohnten ausbrechen.“ Hier eine leicht gekürzte Fassung.

Sünde. Fehler. Schwäche. Missstände. Das muss wirklich keiner haben. Darauf kann ich nicht stolz sein. Ich will sowas von mir fernhalten. Und ich will natürlich auch nicht, dass andere das haben. Wenn ich liebe, die anderen, dann sollen die makellos sein. So wie ich es sein will. Ich tue mich schwer damit, wenn der andere dann doch Mängel hat. Wie der sich benimmt. Wie der sich verhält. Und … auf gar keinen Fall will ich so etwas bei der Kirche sehen müssen. Kirche soll ohne Makel sein. […] Rein. Weiß. Heilig. Deswegen tun sich viele schwer, die Kirche, wie sie sich jetzt zeigt, zu lieben. Missbrauch. Vertuschen. Lüge. #OutInChurch. Und wenig Hoffnung auf den Synodalen Weg … Selbst wenn ich Sünder bin… wenn ich weiß, dass ich nicht makellos leben kann … […] strebe ich danach… nach Perfektion… nach einem heiligen Leben. So hat man das früher ganz selbstverständlich gesagt. Und dann auf die Vorbilder gezeigt. Strahlende Heilige. Und eine strahlende Kirche. Dom. Bischof. Gewänder. Gold. Alles perfekt. Dann taucht aber ein Problem auf. Denn auch die Heiligen waren nicht perfekt. Der heilige Franziskus hat sich nie mehr mit seinem Vater versöhnt. Das macht ihn sympathisch. Aber wenn die heilige Kirche nicht perfekt ist. Was dann? Sie wird damit […] nicht sofort sympathischer. So […] höre ich die Botschaft aus der Bibel heute.

Die beiden Säulen der Kirche. Petrus und Paulus. Ich bin der Geringste. Ich bin nicht wert, sagt Paulus. Und Petrus: Ich bin ein Sünder. O je. Die großen Heiligen. Die Säulen. Und dann: Ich bin ein Niemand. Von wegen Perfektionismus. Strahlende weiße Soutanen. Wie die beiden sie hier an unseren Säulen in der Kirche tragen. Mit Gold verziert. Petrus. Er erlebt den unerwartet reichen Fischfang. Ein Wunder. Er weiß, er hat das nicht verdient. Er sagt: Geh weg von mir, Herr. Ich bin ein sündiger Mensch. Und dann? Jesus geht nicht weg. Denn Jesus weiß es besser: Du bist ein von mir berufener Mensch! Das steht vorne. Nicht […] der sündige Mensch. Jesus verkündet Petrus – und auch mir: Meine Berufung an dich soll in dir wirken. Nicht deine Sünde in dir. Er fordert ihn auf, ihm nachzufolgen. [..] Seine Botschaft zu verkünden. Auf diesen Felsen will er seine Kirche bauen. Einen Felsen, fest wie die Berufung, durch Jesus. Die auch nicht durch Sünde weich werden kann. Jetzt Paulus. Er hat mehrere unserer ersten Mitchristen getötet. Er war dabei, als Stephanus gesteinigt wurde. Er hat Terror verbreitet. Und der ist gewählt. Gewählt von Gott, sein Evangelium zu verkünden. Und auch hier […]: Die Wahl Gottes ist das Starke. Und diese Wahl ist das, was Paulus stark macht. Durch die Sünde nicht geschwächt werden kann. Die Kirche gibt nach außen den Eindruck, dass sie keine Fehler macht. Das ist fatal. Sie hat lange an einem „makellosen Image“ gearbeitet. Und wer Fehler benannt hat, wurde zum Schweigen gebracht. Mancher weiß: Wenn eine Frau unverheiratet schwanger wurde – sie wurde verstoßen. Wenn ein junger Mann einen anderen jungen Mann liebt: Das durfte nicht sein. […]

Darum schaue ich heute mit Ihnen auf Petrus. Jesus hat die Kirche gebaut auf den, der unvollkommen ist. Denn nicht die Vollkommenheit macht stark. Sie grenzt eher aus. […] Die Liebe Gottes zum Menschen. Die macht stark. Denn Schwächen und Fehler kommen überall vor. Die Energie, sie zu verstecken, sollten wir besser für ein offenes Miteinander nutzen. Ich schaue auf Paulus. Der größte Verkünder des Evangeliums hat keinen lückenlosen Lebenslauf. Auch er wurde nicht erwählt, weil er menschlich vollkommen ist. Sondern in Petrus‘ Unvollkommenheit wollte Gott sich offenbaren. Was für Petrus und Paulus gilt, gilt auch für die Kirche als Ganzes. Sie ist nicht die perfekte Gemeinschaft der Gläubigen, die keine Fehler machen. Sie ist nicht im Besitz einer perfekten Lehre, an der die ganze Welt genesen soll. […] Sie ist getragen vom lebendigen auferstandenen Herrn. Darum muss die Kirche sich immer fragen: Trauen wir der Macht Jesu mehr zu als unserer Ängstlichkeit, mit der wir perfekt sein wollen?

Die Erneuerung muss sich am Beispiel und an den Worten Jesu messen. […] Immer wieder neu. […] Die Kirche muss in allen Zeitaltern um den ihr anvertrauten Weg neu ringen. Jede Formulierung ihrer Grundsätze und Wahrheiten ist nur vorläufig sein und ständig neu durchdacht und errungen werden. Das geht nicht ohne Hilfe. Sehen wir nochmal auf Petrus. Er steht vor dem „du“ Jesu. In dieser Begegnung erfährt er, wer er ist. Stark nicht aus sich – denn da ist Sünde. Aber stark aus dem Ruf an ihn, den Sünder. Petrus hat diese Erfahrung vor Jesus gemacht. Vor Jesus, vor seinem menschlichen Du und dem größeren Du des Göttlichen Geheimnisses. Da sah Petrus sich selbst ganz klar. Er. Ein Sünder. Es war für Petrus eine Begegnung mit der Wirklichkeit. Als erfahrener Fischer. Er dachte, er kennt alles über diesen
See. Aber. Eines Tag. In einem Moment der Geschichte… da ist das ganz anders gelaufen. Darum wird mir hier und heute klar: Die ganze Nacht haben wir gearbeitet. Ja, Jesus, 2.000 Jahre haben wir das so gemacht. Wir haben […] manchmal viel zu lange, etwas so gemacht wie immer. Aber was damals funktionierte, kann heute sinnlos sein. Darum brauchen wir deine Aufforderung:

Brich aus dem Gewohnten aus. Wirf deine Netze neu aus. Fahr weiter hinaus als deine Angst dir erlaubt. Aber mein Ruf an dich dir ermöglicht ein neues Auswerfen der Netze… ein Stück weit vom sicheren Land. In die Tiefe. Herr, komm vorbei. Zeig uns, wo wir unsere Netze auswerfen sollen.