Eine Lourdes-Wallfahrt mit Liebfrauen
Reich Gottes? Meine Augen wurden gewaschen.
Eine Lourdes-Wallfahrt mit Liebfrauen
Das Reich Gottes ist nicht irgendwo „im Himmel“; es ist hier und jetzt mitten unter uns. Das wurde mir mehr als deutlich durch die Lourdes-Wallfahrt von Liebfrauen unter geistlicher Begleitung durch den Kapuziner Bruder Paulus Terwitte. So oft ich vom Reich Gottes schon gehört hatte, sei es im Vater-Unser oder beim Rosenkranzgebet, das seine Ankunft in Mariens Leib vor Augen stellt: Im Zusammenhang des gemeinschaftlich und intensiv gelebten Glaubens in Lourdes konnte ich es buchstäblich erfahren, ergehen, erspüren.
Lobpreis und Hilfsdienst
Es ging schon los auf der Hinreise per Flugzeug und Reisebus. Gespräche zum Glauben unter den Mitreisenden aus Liebfrauen und den zahlreichen über den Reiseveranstalter Tobit „extern“ Hinzugekommenen, von Norddeutschland bis Österreich, verbanden uns von Anfang an zu einer außergewöhnlichen Gemeinschaft. Als besonders fruchtbar erwies es sich, dass manche unter uns schon öfter in Lourdes zu Gast waren.
Gleich nach der Ankunft zog es mich wie die anderen Wallfahrer in den Heiligen Bezirk. Ich wurde sofort von dem Bild eingenommen, das sich mir dort bot. Lebhaft erkannte ich die Grundzüge dessen, was Reich Gottes genannt wird: Alle Menschen sind gleichermaßen willkommen, sie lobpreisen Gott und beten zu ihm, unabhängig von Nationalität und Kultur, ob arm oder wohlhabend, ob schwach oder stark, ob krank oder gesund. Man hilft, dient und achtet sich gegenseitig.
Hier sind christliche Barmherzigkeit und Nächstenliebe nicht Worthülsen. Diese zentralen Begriffe des Reiches Gottes werden hier hingebungsvoll Tag für Tag gelebt durch zahlreiche Ehrenamtliche, die kranke und anders eingeschränkte Menschen in Krankenwagen fahren, sie in Pflegeeinrichtungen umsorgen und im Gebet begleiten.
Das Kleine bewirkt Großes
Wohin man auch geht – sei es an der berühmten Grotte Massabielle, an der der Heiligen Bernadette die Muttergottes mehrfach erschien, dem Basilika-Komplex oberhalb der Grotte oder in der Basilika Pius X., der größten unterirdischen Kirche der Welt – es werden nahezu ohne Unterbrechung Prozessionen gefeiert, Heilige Messen abgehalten und es wird Rosenkranz gebetet.
Die besondere Aura des Ortes ist in dem Heiligen Quellwasser begründet. 1858 erhielt das Mädchen Bernadette einen Auftrag von der „Dame“, die sich ihr dann als „die Unbefleckte Empfängnis“ vorstellen sollte, als Muttergottes Maria: Mit eigenen Händen solle sie eine Quelle an der von ihr bezeichneten Stelle aufgraben, trinken und zu trinken geben, Wallfahrten anregen und den Bau einer Wallfahrtskirche. Dass dies diesem dann auch heiliggesprochenen Landmädchen gelungen ist – wenn auch gegen Widerstände –, schon das ist ein weiteres Zeichen für das Reich Gottes, dem bekanntlich die Kinder besonders nahe sind. In den Bädern des Heiligen Bezirkes empfangen bis heute die Pilger in einer rituellen Waschung unter Anrufung der Muttergottes Heilung, Stärkung und Segen.
Geistliches Weggeleit
Zu den herausragenden Glaubensritualen in Lourdes gehören die täglichen Prozessionen. In der Sakramentsprozession um 17 Uhr wird das Allerheiligste von der Sakramentskapelle in die unterirdische Basilika überführt; jeder Kranke wird dort einzeln gesegnet. Die berühmte Lichterprozession abends um 21 Uhr führt die Gläubigen, Kerzen in Händen tragend und Rosenkranz betend, unterbrochen vom „Ave, Ave“-Gesang mit Liedstrophen in verschiedenen Sprachen zur Geschichte des Ortes.
Die Gegenwart Gottes wurde unserer Pilgergruppe insbesondere durch die geistliche Begleitung von Bruder Paulus bewusst. Er stärkte die Teilnehmer in gemeinsamen Messfeiern, Katechesen und in seinen Meditationen zu den Kreuzwegstationen. In seiner nahbaren und lebenspraktischen Art verstand er es, die mitgereisten Gläubigen tief zu bewegen, in ihnen neue Gedanken anzustoßen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Die Augen gewaschen
Meine Reise von Frankfurt nach Lourdes war eine Reise aus dem Alltag heraus in das Reich Gottes hinein. Ich habe die Gemeinschaft mit Gott erfahren dürfen. Mein Glaube wurde intensiv gefestigt. Damit stehe ich nicht allein. So erklären sich auch die zahlreichen „Wiederholungstäter“, die diese heilsame Erfahrung zum Teil schon öfter erleben durften. Auch für mich wird es ohne Zweifel – so Gott will – nicht die letzte Wallfahrt nach Lourdes gewesen sein, eine Wallfahrt, die mir die Augen gewaschen hat, das Reich Gottes nun mitten in meinem Alltag zu entdecken und es darin verwirklichen zu helfen.
Text: Lars Maurer, Mannheim
Bilder: Martina Stump
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